Ich hatte mir vor der re:publica fein säuberlich auf einem Ausdruck des Programms alle Workshops und Vorträge angekreuzt, die ich gern besuchen wollte. Letztlich klappte es nur bei einigen wenigen – teils aufgrund von Überschneidungen, teils aufgrund der vielen Gespräche, die sich spontan auf dem Weg von A nach B ergaben. Verpasst habe ich dadurch u.a. auch die Session zu “Strickblogs oder Postfeminismus – Bloggen jenseits des Schwanzvergleichs” – wobei ich im Nachhinein erfahren habe, dass dort ohnehin alle Männer gebeten wurden, den Raum zu verlassen.
Unabhängig davon, dass ich eh nicht zu der Session kam, bin ich mir immer noch nicht recht sicher, wie ich diese Entscheidung der Session-Organisatorin Helene Hecke einschätzen soll: Einerseits finde ich es schade, dass die Möglichkeit zum Gespräch über mögliche Ursachen und Lösungen der völlig schiefen öffentlichen Repräsentation von Frauen in der Blogosphäre vertan wurde. Andererseits respektiere ich das Anliegen, „leider wollte dogmatisch aufgefasst werden, was ganz pragmatisch gedacht war“, und lese im Nachhinein auch bei ihr, dass dieses Vorgehen eine andere, möglicherweise offenere Art des Austauschs ermöglicht hat.
Sehr spannend finde ich nun aber, dass diese Session im Nachklang eine sehr lebhafte Diskussion in den Blogs ausgelöst hat, unter anderem bei Webstyler, Anke Gröner („Zusammengefasst: Wir leben anders – wir bloggen anders.“), kittyluka und Franziskript. Dort finde ich den Kommentar von Creezy besonders lesenswert, die schreibt:
Allein zu lernen, dass es Blogger gibt, die sich gerne mal auch innerhalb ihrer spezifischen Blogger-Zielgruppe auf der re:publica treffen würden, ja, auch wenn’s Strickbloggerinnen sind – übrigens keine so übersichtliche Bloggemeinschaft mehr – gilt auch für Scapbookblogger oder Foodblogger oder die bloggenden Homo-Szene. Das sind alles Zeichen und Informationen, die ich aus diesem Treffen mitgenommen habe. Hey, das war ein gutes Meeting!
Die Blogosphäre ist tatsächlich soooo viel mehr als das, was in der A-List auftaucht und die Wahrnehmung nach innen wie außen prägt, ist eben nicht nur Internet-und-Medien-und-Geld-verdienen-und-über-Blogs-bloggen. Ich glaube, die re:publica würde in den kommenden Jahren davon profitieren, noch mehr solcher „Subkulturen der Blogosphäre“ anzusprechen und ihnen Raum für Treffen, Diskussionen und sich-Vorstellen zu geben ((Wobei es dieses Jahr auch schon eine Reihe von „nicht-mainstreamigen“ Sessions gab.)).
Ganz nebenbei könnte das vielleicht auch das Bild korrigieren, das in den etablierten Medien dieses Jahr wieder vom re:Publikum gezeichnet wurde ((Halbwegs willkürlich rausgegriffen: FAZ.net, welt.de, taz.de, SZ)): Mal freundlicher, mal weniger freundlich gegenüber den Themen und Anliegen der Konferenz, aber im Tenor eigentlich immer: Die Computerfreaks treffen sich, und jeder hockt vor seinem Rechner.
Warum aber gerade das, das parallele Lauschen, sich informieren und mit anderen kommunizieren, manchmal besser sein kann als ein vorgeblich konzentriertes Hinhören um das innere Wegdösen zu kaschieren, das schreibe ich nach der nächsten „normalen“ Konferenz auf…
„Mal freundlicher, mal weniger freundlich gegenüber den Themen und Anliegen der Konferenz, aber im Tenor eigentlich immer: Die Computerfreaks treffen sich, und jeder hockt vor seinem Rechner.“ – Ich würde das vielleicht als Habitusbruch bezeichnen, weil es ungewohnt aussieht und sich Personen, die das nicht so praktizieren, schwer vorstellen können, dass man doppelt anwesend und nicht abwesend ist. Je nachdem, welche technischen Geräte man auf Konferenzen verwendet (Computer, Digitalkamera, PDA, Telefon oder alle Geräte kombiniert), erhält man recht merkwürdige Reaktionen. Ich fände es sehr lobenswert, wenn Du dieses Thema aufgreifst und weiterführst. Und bei manchen der Pressereaktionen – übrigens auch re:publikum – drängte sich der Eindruck auf, dass die Vertreter wohl auf einer anderen Veranstaltung waren als Du , ich und die anderen, die hier lesen und schreiben.
Die Vielfalt der Blogosphäre sollte man tatsächlich im Auge behalten und vielleicht sogar als Merkmal einer Konferenz wie der re:publica besonders betonen.
Dazu müsste das Organisationskomitee einen entsprechend weiten Blick einnehmen und auch den Mut zeigen, alte Zöpfe abzuschneiden: Die Debatte um Journalisten contra Blogger etwa könnte man jetzt zu den Akten legen und ruhen lassen – auch als ein Zeichen der Reife…
Es gab im letzten Jahr, meiner Meinung nach, eine Entwicklung dahingehend, dass sehr viele Menschen nur noch von anderen Blogs berichteten, statt eigene Beiträge zu verfassen. Klar, das schnelle Geld hat hier gelockt, denn es entsprach wenig Arbeit für (teilweise) viel Geld, da natürlich Textlinks, etc. eingebaut wurden. Ich bin gespannt, wie die Entwicklungen in diesem Jahr sind, bisher gefallen sie mir in jedem Fall sehr gut.