Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) erhalten einige Male im Jahr den „aviso“ ((Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, die das Bayerische Wissenschaftsministerium herausgibt)), eine Mischung aus Magazin, Informationsdienst und Debattenforum. Eine Rubrik, die ich immer sehr gerne lese, ist der Fragebogen, der von Nachwuchswissenschaftler/innen der DGPuK ausgefüllt wird – für die aktuelle Ausgabe hatte ich sogar die Ehre, die Fragen beantworten zu dürfen. Die .pdf-Fassung des vollständigen Hefts ist im Moment noch nicht online, aber mit freundlicher Zustimmung der beiden neuen Redakteurinnen Kristina Wied und Petra Werner kann ich hier den Text auch veröffentlichen ((Die Blogfassung ist sogar etwas länger als die Printfassung… :-) )). Wen es interessiert, was ich über die Kommunikationswissenschaft so denke, der möge weiterlesen…
Die wenigsten, die an einem kommunikationswissenschaftlichen Institut arbeiten, wollten zu Beginn ihres Studiums WissenschaftlerIn werden – wie war das bei Ihnen?
Ich hatte zu Beginn meines Studiums die vage Vorstellung, etwas mit Journalismus zu machen – habe aber statt Kommunikationswissenschaft Soziologie studiert, auch weil ich das „Bamberger Modell“ mit seinen praxisorientierten Schwerpunkten im Hauptstudium interessant fand. Meine Schwerpunktfächer (Bevölkerungswissenschaft, Urbanistik, Regionalsoziologie, empirische Sozialforschung) führten dann eher weg von der Kommunikationswissenschaft, ohne dass ich aber ein konkretes berufliches Ziel vor Augen hatte.
Und wie kam es, dass Sie dann eine wissenschaftliche Karriere eingeschlagen haben?
Der Zufall wollte es, dass A.M. Theis-Berglmair Ende 1999 in einem VW-Projekt einen Nachfolger für Joachim Höflich suchte, der gerade nach Erfurt gewechselt war. Sein studentischer Mitarbeiter sprach mich abends bei einem Bierchen an, ob ich nicht jemand kennen würde… oder selbst Interesse hätte… zwei Wochen später fing ich in dem Projekt an, wobei wohl meine Kenntnisse in der empirischen Sozialforschung (und meine rasche Verfügbarkeit) den Ausschlag gaben, denn Kommunikationswissenschaft hatte ich ja nie studiert oder belegt.
Die endgültige Entscheidung für die Wissenschaft fiel nach dem Ende des Projekts, als ich nach einigem Zögern zwei Jobangebote aus der (Online-)Marktforschung ausschlug. Ich hatte gemerkt, dass mir Forschung und Lehre Spaß machen, und wollte gerne die Promotion ernsthaft angehen. Da ich keine feste Stelle mehr hatte, bin ich in den folgenden Jahren zwischen Projekten an der Forschungsstelle „Neue Kommunikationsmedien“, soziologischen Lehrstühlen bzw. Instituten und freiberuflicher Tätigkeit gependelt.
Wer oder was in der Kommunikationswissenschaft hat Sie besonders motiviert, vorangebracht oder fasziniert?
Das Umfeld in Bamberg, wo ich insgesamt 14 Jahre zunächst studieren, danach sehr selbstständig forschen, lehren und – nicht zuletzt – auch wunderbar leben durfte. Ich weiß nicht, ob ich noch im wissenschaftlichen Bereich arbeiten würde, wenn ich nicht diese Freiheiten gehabt hätte, auch über die fachlichen Grenzen der Kommunikationswissenschaft hinaus tätig zu sein. Aber wenn ich das nach so relativ kurzer Zeit bereits sagen darf: Hamburg und das Hans-Bredow-Institut steht dem bislang auch nicht nach…
Ist da auch etwas, das Sie gelangweilt, erschreckt oder abgestoßen hat?
Nein, nicht wirklich. Das liegt vermutlich aber auch daran, dass ich immer wieder mal andere Perspektiven und Projekte kennenlernen durfte – und so auch weiß, was ich an der Kommunikationswissenschaft habe.
Was empfinden Sie am langen Prozess Ihrer akademischen Qualifikation (Promotion, Habilitation, Berufungsverfahren) als lästig, überflüssig oder unzumutbar?
Nicht allein auf Kommunikationswissenschaft bezogen: Die strukturellen Umstände des Wissenschaftsbetriebs als Ganzem, der viele Nachwuchskräfte in einer permanenten Unsicherheit über ihre berufliche (und mittelbar auch private) Zukunft leben und arbeiten lässt.
Haben Sie hartnäckig wiederkehrende berufliche Träume?
Um ehrlich zu sein: Ich empfinde meine berufliche Tätigkeit als so privilegiert, weil weitgehend selbstbestimmt, interessant und gut bezahlt, dass ich von mehr gar nicht zu träumen wage.
Was würden Sie als Wissenschaftsminister/in Ihres Landes sofort ändern?
Nach der (sicherlich hart umkämpften) deutlichen Aufstockung meines Budgets würde ich allen Nachwuchswissenschaftler/innen, die es möchten und können, eine unbefristete Stelle an der Universität bzw. in den Wissenschaftseinrichtungen anbieten, um ihnen selbstbestimmte Forschung und Lehre zu ermöglichen.
Wenden sich Kommunikationswissenschaft und verwandte Disziplinen in Forschung und Theoriebildung den entsprechenden Themen zu?
Im Großen und Ganzen ja. Allerdings muss sie meines Erachtens auch darauf reagieren, dass sich ihr Untersuchungsfeld – die öffentliche Kommunikation – derzeit ungemein wandelt. Ich halte es für sehr wichtig, bspw. die Entwicklungen im Umfeld des „Web 2.0“ nicht nur in Hinblick auf die Auswirkungen auf den Journalismus zu analysieren, sondern darüberhinausgehende Veränderungen und Erweiterungen – Stichworte wären bspw.: onlinebasiertes Networking oder Öffentlichkeit vs. Privatsphäre – im Blick behält.
Wie beurteilen Sie den Auftritt verschiedener inhaltlicher und methodischer Richtungen im Fach und den Umgang miteinander?
Als kollegial. Sollte es Spannungen oder tiefgehende Klüfte geben, nehme ich sie in meiner alltäglichen Arbeit zumindest nicht wahr.
Gelingt es dem Fach, sich als „nützliche Wissenschaft“ in Medienpraxis und Gesellschaft Verhör zu verschaffen?
Ja, aber nicht in dem Maße, wie es möglich und erforderlich wäre. Die Vermittlung von Erkenntnissen der eigenen Forschung an die Öffentlichkeit und an Entscheidungsträger, oder auch der öffentliche Dialog über kommunikationswissenschaftliche Themen könnte noch besser sein. Wir haben ja durchaus Interessantes zu sagen, beispielsweise zu den Auswirkungen des Internets auf das Mediensystem, zur „Mobilisierung“ von Kommunikation, oder ganz allgemein zur Mediatisierung unserer Gesellschaft.
Ist die Kommunikationswissenschaft eine kommunikative Wissenschaft?
Nochmals „Ja, aber..“. Den Austausch innerhalb von Projektteams und Fachgruppen oder auf Tagungen erlebe ich als sehr gut und inspirierend. Die Vermittlung nach außen könnte wie bereits gesagt allerdings besser sein: Aus meinem eigenen Arbeitsbereich kenne ich beispielsweise eine Reihe interessanter Wissenschafts- oder Projektweblogs, die Erkenntnisse jenseits der „klassischen“ Publikationsformen wie dem Buch, dem Vortrag, dem Journalaufsatz veröffentlichen und zur Diskussion stellen – so wird (Kommunikations-)Wissenschaft besser sichtbar. Ich würde mir mehr solcher Versuche wünschen, das wissenschaftliche Arbeiten „im Gespräch zu halten“. Aber auch hier gilt: Solche Instrumente sind kein Ersatz für etablierte Formen des Wissensaustauschs und der –fortentwicklung, allerdings eine sehr gute Ergänzung.
Welchen Kongress wollten Sie immer schon einmal organisieren?
Ich hatte das Glück, am Ende meiner Zeit in Bamberg mit Kollegen den Workshop „Das neue Netz?“ organisieren zu können, bei dem aus ganz unterschiedlichen Perspektiven über aktuelle Trends des Internets diskutiert wurde. Den Kreis von etwa 45 Teilnehmer/innen und die Atmosphäre empfand ich als sehr inspirierend; ich bin mir nicht sicher, ob dies auf die Größe eines typischen Kongresses skalierbar wäre. Generell würde ich aber gerne einmal eine interdisziplinäre Konferenz zum Wechselspiel von Softwareentwicklung und Nutzungspraktiken im Internet organisieren, bei der Kommunikationswissenschaften, Techniksoziologie und Informatik miteinander ins Gespräch kommen.
Und welches Buch werden Sie irgendwann einmal schreiben?
Ob es mit der skizzierten Konferenz nun klappt oder nicht: Ein Buch zu genau diesem Thema.
Welche Projekte beschäftigen Sie zurzeit?
Ein Gutachten zum Umgang von Jugendlichen mit dem „Web 2.0“ sowie eine Expertise zu Online-Spielen. Damit hängt zusammen, was derzeit aber nicht in Form eines konkreten Projekts geschieht: Ich versuche so gut es geht, die rasanten Entwicklungen der onlinebasierten Kommunikation zu verfolgen; hier interessieren mich insbesondere die Verschiebungen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre sowie die Praktiken des Schaffens und Teilens von Wissens- und Kulturgütern im weitesten Sinne – von der open-source-Bewegung über die Wikipedia oder die Blogosphäre bis hin zu den Interaktionsumgebungen der Online-Rollenspiele und anderen „virtuellen Welten“.
Gibt es Momente, in denen Sie die Wörter „Kommunikation“, „Medien“ und „Wissenschaft“ nicht mehr hören können? Was tun Sie dann, um sich zu erholen?
Die gibt es durchaus – wenn möglich, gehe ich dann zu einem Heimspiel des HSV und singe mir die Seele aus dem Leib. Auch eine Form der Kommunikation… :-)
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