Im Mai hatte Marcel Weiss in einem Beitrag auf netzwertig.com die These aufgestellt, dass Friendfeed sich im Lauf des Jahres 2008 zu einem nicht mehr wegzudenkenden Dienst in der deutschsprachigen Tech-/Web2.0-Szene entwickeln würde. Auf sein Angebot, eine entsprechende Wette abzuschließen, bin ich damals eingangen; inzwischen kamen wir auch dazu, das ganze festzuklopfen:
Ich wette, dass Friendfeed bei der kommenden Re:publica (2009) NICHT das ’nächste große Ding‘ in der dort anwesenden Szene sein wird. Marcel hält dagegen. Der Verlierer spendet 50 Euro an den AK Vorratsdatenspeicherung.
Mit Marcel habe ich vereinbart, dass wir in den kommenden Tagen/Wochen mal eine Liste mit Kriterien aufstellen werden, um zu entscheiden, wer gewonnen hat. Vermutlich halten wir sie erstmal vertraulich, um den Ausgang nicht zu beeinflussen – vielleicht lassen wir ja auch die re:publica-Besucher per Twitter-Wall abstimmen? :-)
Ach ja: Ich hab jetzt gerade nicht die Zeit, um etwas ausführlicher auf Friendfeed oder alternative Angebote einzugehen (Marcel macht das in einem aktuellen Beitrag). Vielleicht nur soviel: Ich halte die Idee des Life-Streaming bzw. der Aggregation der eigenen Aktivitäten auf unterschiedlichen Plattformen prinzipiell für interessant – und selbstredend habe ich auch einen Account, schon allein aus wissenschaftlichem Interesse… :)
Aber ich glaube nicht, dass es auf absehbare Zeit ein Mainstream-Phänomen wird (darum geht es allerdings in der Wette auch nicht). Neben dem Umstand, dass es noch zu „geeky“ ist, um von breiteren Nutzerschichten augegriffen zu werden, halte ich es auch aus einer prinzipiellen soziologischen Überlegung heraus für „unangepasst“. Meine These: Anstatt Aktivitäten auf unterschiedlichen Plattformen zu aggregieren, wollen Nutzer diese lieber getrennt halten, weil sie dort jeweils mit unterschiedlichen Bezugsgruppen oder Rollenkontexten zu tun haben. Versuche, über Filterlisten o.ä. wieder diese unterschiedlichen sozialen Kontexte einzuführen, sind zwar der logische Schritt angesichts von Nutzerwachstum – doch damit holt sich Friendfeed genau das Problem wieder in die eigene Plattform hinein, das es ja eigentlich lösen wollte. Nun muss man also auf Friendfeed seine Kontakte verwalten und einteilen, getrennte persönliche Öffentlichkeiten einführen etc. Wozu den Dienst dann überhaupt nutzen?
BTW: Kooptech befasste sich unlängst auch mit Friendfeed und bringt noch einige weitere Argumente.
Ha! Genau die Wette war ich auch kurz davor abzuschließen. War mir dann aber doch zu schwammig definiert. Die Kriterien würden mich also interessieren.
Meine Frage – und ich finde nebenbei: DIE Frage, an der sich jeder Dienst messen lassen muss – was ist der kommunikative Mehrwert? Blogs und Twitter haben uns jeweils eine völlig neue Art der Kommunikation aufgezeigt, die nicht irgendwie eine verbesserte Soundso ist, sondern, die niemand vorher kannte, also auch niemand vorher auf dem Schirm haben konnte. Ebenso überraschend ist ihr Erfolg.
Friendfeed hat keinen nennenswerten kommunikativen Mehrwert. Aggregation hat beim Leser stattzufinden, nicht beim Sender. Der weiß schließlich, was er lesen will und was nicht. Und wenn ihn tatsächlich /alle/ Streams eines Menschen interessieren sollten – was ich eh für einen extrem seltenen Fall halte – kann er sie sich auch so in seinem Feedreader zusammenflanschen. Jedenfalls Größtenteils.
Was Friendfeed also macht, ist eine reine Selbstbespiegelung seiner Nutzer. Das mag dem einen oder anderen vielleicht schmeicheln, seinen Lesern oder Freunden wird es egal sein. Ich halte es für Onanie 2.0, ohne einen Mehrwert für den externen Nutzer und damit sinnlos.
Jan: „Meine These: Anstatt Aktivitäten auf unterschiedlichen Plattformen zu aggregieren, wollen Nutzer diese lieber getrennt halten, weil sie dort jeweils mit unterschiedlichen Bezugsgruppen oder Rollenkontexten zu tun haben.“
Deine These basiert auf der Prämisse, dass man auf Diensten wie friendfeed alles aggregieren muss. Muss man nicht.
Bin gespannt, wer die Wette gewinnen wird. :)
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mspro:
„Friendfeed hat keinen nennenswerten kommunikativen Mehrwert.“
Hier liegst Du falsch. Die Möglichkeit, all die Aktivitäten von Blogeinträgen, Tweets zu delicious-Links und flickr-Fotos im Freundeskreis/Bekanntenkreis zu kommentieren, hat sehr wohl Mehrwert.
“ Aggregation hat beim Leser stattzufinden, nicht beim Sender. Der weiß schließlich, was er lesen will und was nicht.“
Aggregation findet sowohl beim Leser als auch beim Sender statt. Gerade die neuen Freundeslisten machen die Aggregation für den Leser einfacher, weil organisierbarer. hide einzelner Feeds gab es daneben auch von Anfang an.
“ Und wenn ihn tatsächlich /alle/ Streams eines Menschen interessieren sollten – was ich eh für einen extrem seltenen Fall halte – kann er sie sich auch so in seinem Feedreader zusammenflanschen. Jedenfalls Größtenteils.“
Es dürfte mainstreamkompatibler sein, auf einen Subscribe-Button zu klicken als eine Feedadresse (bzw. 5 pro Person von unterschiedlichsten Sites) in einen Reader zu copy&pasten.
friendfeed ist letztlich wie twitter, wenn es um das Verständnis geht. Man muss es verwenden, um den Nutzen zu erkennen.