Lang nicht mehr gebloggt, dafür jetzt ein richtig langer Beitrag – ich sitze nämlich gerade im Zug nach Luxemburg, kommend aus Jena. Am Dienstag Nachmittag war ich dort beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, um an der Ad-Hoc-Gruppe „Onlinedating – Neue Wege der Partnerwahl“ teilzunehmen. Die Organisatoren – Andreas Schmitz, Florian Schulz und Hans Peter Blossfeld von der Uni Bamberg – bearbeiten zur Zeit ein DFG-Projekt zu diesem Thema und hatten ein schönes Panel zusammen gestellt, das sich dem Phänomen „Online-Dating“ aus ganz unterschiedlichen Richtungen näherte.
Dietmar Wetzel (Bern) diskutierte Online-Dating unter Rückgriff auf poststrukturalistische Zugänge; bemerkenswert fand ich den Gedanken, dass es zu einem Widerspruch zwischen dem „ökonomisierten“ Vorgang der Partnersuche (nach Perfektion strebend, austesten und ggfs. optimieren des eigenen ‚Marktwerts‘, etc.) und den Emotionen bzw. Affekten (Liebe, Begehren, etc.) käme, die sich dem bewussten Streben und Manipulieren entziehen. Da dieser Gedanke für das Dating allgemein gilt, wurde im Vortrag m.E. nicht so ganz deutlich, ob bzw. ggfs. worin denn das Spezifische des _Online_-Dating bestehen könnte. In der Diskussion gingen wir aber darauf ein; Wetzels These war, dass Kommunikationssituation im Internet dazu führe, dass Interaktionspartner ihre Affekte diskursivieren, also versprachlichen bzw. verschriftlichen müssten bzw. könnten. Man könnte dieses Argument erweitern und generell auf den Zwang beziehen, die eigene Identität online textlich ((Wozu ich auch Bilder, Videos o.ä. zähle.)) repräsentieren und ‚performen‘ zu müssen; danah boyd hat das mal „writing yourself into being“ genannt.
Christiane Eichenberg (Köln) rekapitulierte sozialpsychologische Theorien und Erkenntnisse zu Interaktionen und Beziehungsanbahnung in Situationen computervermittelter Kommunikation. In Bezug auf Online-Dating ist bei mir die Unterscheidung zwischen einer institutionellen und einer individuellen Auswahl von Beziehungspartnern hängen geblieben. In diesem Zusammenhang betrifft das v.a. den Unterschied zwischen Dating- und Partnervermittlungsplattformen, denn im ersten Fall kann jede/r Nutzer/in jede/n andere/n kontaktieren, während im zweiten Fall eine vermittelnde Instanz hinzutritt. Interessant ist hierbei die Tendenz, diese Empfehlungen bzw. das vermitteln zu algorithmisieren – Plattformen wie Parship machen dies wohl (ich kann es grad im Zug nicht checken.. :-) ) über ein psychologisches Profil; Facebook z.B. über den Abgleich der Beziehungsnetzwerke und die Empfehlung von Mitgliedern, die Kontakte meiner Kontakte sind.
Ich kenne jetzt beide Matching-Algorithmen nicht im Detail, würde aber vermuten, dass sie in ihren Grundannahmen eher Homophilie annehmen: Ähnliche Personen werden mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Beziehung eingehen als Personen, die sich nicht ähnlich sind. Dieser Frage, im Speziellen der Bildunghomophilie, widmete sich Florian Schulz (Bamberg). Er stellte Ergebnisse einer Analyse von Kontaktanbahnungen auf einer Dating-Plattform vor und konnte zeigen, dass sowohl in Hinblick auf den Erstkontakt (das erstmalige Schreiben einer plattforminternen Nachricht an eine andere Person) also auch auf die Erstantwort (die Reaktion auf den Erstkontakt) Personen mit gleichem formalen Bildungsgrad überzufällig häufig miteinander kommunizieren. Ebenfalls überzufällig interagieren Männer „nach unten“, also mit Frauen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss, und Frauen „nach oben“.
Das sind per se keine neuen Befunde, sondern sie bestätigen vielmehr, was aus der Partnerwahlforschung bereits seit längerem bekannt ist. Interessant ist aber, dass die Interaktionssituation beim Online-Dating eine ganze Reihe von institutionellen Faktoren ausschließt, die im „real life“ für die Tendenz zur Bildungshomophilie verantwortlich gemacht werden; insbesondere die große Rolle, die Schulen oder Universitäten als „Heiratsmarkt“ spielen. Im Netz wäre es prinzipiell ja möglich, dass der Hauptschulabsolvent die Doktorandin kontaktiert – aber es geschieht nicht bzw. nur sehr selten. Es sind also weitere Faktoren am Werk; neben gesellschaftlichen Normen und Konventionen bietet sich m.E. vor allem das Habitus-Konzept als Erklärung an, mit dem man ja begründen kann, warum sich Menschen aus unterschiedlichen, u.a. über den Bildungsgrad geprägten Lebenswelten fremd bleiben.
Andreas Schmitz (auch Bamberg) diskutierte schließlich v.a. methodologische Fragen rund um die Analyse von Interaktionen auf Dating-Plattformen. Er unterschied dabei individualistische von relationalen Ansätzen; letztere könnten entweder die ‚realisierte‘ Dyade als Untersuchungsobjekt betrachten, oder aber das komplette Netzwerk als Feld ansehen, das dann bspw. mit Korrespondenzanalysen in bestimmte Dimensionen zerlegt werden könnte. Ich muss aber gestehen, dass ich an dieser Stelle dann irgendwann nicht mehr folgen konnte…
Mein eigener Vortrag drehte sich nicht um Online-Dating im Speziellen, sondern allgemeiner um „Praktiken des Identitäts- und Beziehungsmanagements auf Netzwerkplattformen“; ich habe mein heuristisches Schema (Handeln ist gerahmt von Regeln, Relationen und Software-Code) vorgestellt und benutzt, um Varianten des kontextabhängigen Identitäts- und Beziehungsmanagements zu diskutieren. Bei der Vorbereitung, aber stärker noch bei den anschließenden Diskussionen mit den Bamberger Kollegen sind mir die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede zu den Netzwerkplattformen aufgefallen, die ich normalerweise untersuche. Aber das berührt schon die Arbeit an meinem Buch, deswegen schiebe es ich mal in einen neuen Beitrag auf dem Buch-Blog…
ein sehr interessanter artikel, also bei diesem kongress hätte ich gern mal mäuschen gespielt ;-) soziologische zusammenhänge finde ich seit meiner studentenzeit sehr interessant. vor allem auch in bezug auf die partnersuche, die ja in heutiger zeit immer vielfältiger (und dadurch leichter?) wird.