Als Abschluß meiner Vortragswoche war ich am Freitag in Berlin bei der Tagung „Mit der Welt vernetzt. Kinder und Jugendliche in virtuellen Erfahrungsräumen„, bei der wissenschaftliche Befunde und Praxis-Initiativen zur Internetnutzung von Heranwachsenden vorgestellt wurden. Ich konnte nur den zweiten Tag mitmachen, der einige sehr anregende Vorträge bot: Zum Einstieg präsentierte Ulrike Wagner (München) zusammen mit Bernd Schorb (Leipzig) Ergebnisse aus ihren Forschungsarbeiten zum Umgang von Jugendlichen mit dem Social Web. Interessant fand ich die von ihr getroffene Unterscheidung von Handlungsmodi, die Überschneidungen mit meinen drei „Management“-Ebenen hat: rezeptives Medienhandeln (sich amüsieren und informieren), kommunikatives Medienhandeln (sich in Beziehung setzen) und produktives Medienhandeln (sich zur Geltung bringen). Ich konnte mit einem Vortrag zu „Persönlichen Öffentlichkeiten im Social Web“ (s.u.) wunderbar daran anschließen; in der Diskussion kam dann u.a. auch die Frage, inwiefern es sich denn tatsächlich um „Management“-Prozesse handelt – aber wird ein eigener Eintrag…
Petra Grimm (Stuttgart) stellte erste Ergebnisse der Studie „Gewalt und Web 2.0“ vor, die sich mit der Nutzung gewalthaltiger Online-Inhalte durch Jugendliche befasst. In einer Repräsentativbefragung von 12-19jährigen (N=804) gaben etwa 80% der befragten Jugendlichen an, dass ihre Eltern selten oder nie die Inhalte kontrollieren, die sie im Internet aufrufen. Ein Viertel sagt, schon mal Seiten mit gewalthaltigen Inhalten gesehen zu haben (ein Drittel der Jungen, nur 16 Prozent der Mädchen) – wobei damit nur das abgefragt wird, was die Jugendlichen selbst unter Gewalt verstehen; „Spaßgewalt“ wurde beispielsweise, wie ergänzende qualitative Studien ergaben, oft nicht als Gewalt wahrgenommen. Die meist genannten Arten gewalthaltiger Inhalte sind fiktionale Inhalte, doch auch Bilder von Unglücksopfern oder Prügelvideos wurden von etwa der Hälfte der Jugendlichen genannt, die bereits solche Inhalte kannten. Die entsprechenden Jugendlichen weisen deutlich häufiger Motive des „sensation seeking“ bei ihrer generellen Internetnutzung auf. Das Handy spielt für die Rezeption und den Tausch von solchen gewalthaltigen Videos eine wichtige Rolle; Grimm benutzte dafür den interessanten Begriff der „konvergenten Violenz“.
Claudia Lampert, meine Kollegin vom HBI, präsentierte nach der Mittagspause einen Überblick des „EU Kids Online“-Projekts, an dem sie zusammen mit Uwe Hasebrink arbeitet und in dessen Rahmen Forschergruppen aus 21 Ländern zusammenarbeiten. Sie bereiten vorliegende Daten und Befunde zur Internetnutzung durch Jugendliche vergleichend auf ((Die Datenbank auf der Homepage umfasst annähernd 400 einschlägige Studien.)) und formulieren Handlungsempfehlungen für Medienregulierung, Anbieter und Medienpädagogik. Ingrid Paus-Hasebrink (Salzburg), die den qualitativen Teil unseres „Jugendliche und Web 2.0“-Projekts betreut, diskutierte anschließend medienpädagogische Schlußfolgerungen bzw. Konsequenzen und stellte die „Web 2.0“-Klasse vor, ein Projekt bei dem eine Reihe von österreichischen Hauptschulklassen über ein Wiki Informationen zu Nationalparks zusammen stellten. Beendet wurde die Tagung mit einer Gruppendiskussion, an der Udo Hahn (EKD), Birgit Guth (Medienforschung SuperRTL), Ingrid Paus-Hasebrink (Salzburg), Burkhard Fuhs (Erfurter Netcode) und Philipp Gröschel (studiVZ) teilnahmen.
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