Freitag nachmittag war ich am MGFFI ((Nicht etwa ein neues Online-Rollenspiel, sondern die Abkürzung für Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration)) in Düsseldorf beim Forschungsworkshop „Strukturwandel der Öffentlichkeit: Web 2.0 und die Folgen“ – Teil einer Workshopreihe, die aktuelle Trends aus dem Themenbereich des Ministeriums aufgreift und mit externen Referent/innen bespricht. Ausser mir waren noch Prof. Barbara Schwarze (FH Osnabrück) und Dr. Gernot Gehrke (ecmc; LfM Nova) eingeladen, um mit den ca. 30-35 Anwesenden zu diskutieren.
Mein Vortrag drehte sich um die Frage „Was ist Web 2.0?“, regelmäßigen Lesern des Blogs werden die meisten Folien bekannt vorkommen.
Gegenüber früheren Vorträgen habe ich ergänzt: Zwei Folien mit ARD/ZDF-Onlinestudie-Daten zur Web 2.0-Nutzung (um die Altersverteilung sowie die Kluft aktive vs. passive Nutzung zu zeigen) sowie eine Folie mit einigen Stichworten zu möglichen Konsequenzen für die Politik. Der entsprechende Auszug aus meinem Thesenpapier:
- Die drei Funktionen des Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagements erfordern jeweils unterschiedliche Medienkompetenzen, bspw. um die Vertrauenswürdigkeit nutzergenerierter Inhalte oder eines Profils auf einer Kontaktplattform einschätzen zu können, aber auch bspw. um kreativ und/oder auf (lebenslanges) Lernen bezogen mit den neuen Ausdrucksmöglichkeiten umzugehen.
- Das Entstehen von persönlichen Öffentlichkeiten verschiebt Grenzen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit – nicht nur in Bezug auf die eigene Privatsphäre, sondern auf die anderer Personen. Derzeit ist unklar, inwieweit neue Grenzen durch die Software-Architektur gezogen werden und inwieweit neue soziale Normen inkl. angepasster Gesetze nötig sind. Unter den letzten Punkt fallen auch die Diskussionen um die Grenzen staatlicher Ein- bzw. Zugriffe auf persönliche Informationen, die zunehmend auf Rechnern und im Internet gespeichert sind.
- Viele Web 2.0-Praktiken basieren auf dem Aufgreifen, Zitieren, Kommentieren und Weiter Verbreiten von Inhalten anderer Personen. Ein Regulierungsrahmen, der eine solche Aneignung und Veränderung generell als Verletzung von Copyrights ansieht, wird der veränderten Nutzungsumgebung nicht gerecht; vielmehr sollten alternative Lizenzmodelle (z.B. die „Creative Commons“) gefördert werden, die Bestandteil einer offenen Wissensordnung sind.
Prof. Schwarze und Dr. Gehrke ergänzten wichtige Punkte in ihren Statements, zum Beispiel die Perspektive auf existierende, sich vertiefende oder neu auftauchende Klüfte zwischen Nutzergruppen; die Frage nach einer möglichen Erosion von gesellschaftlichen Zielwerten wie Datenschutz und -sicherheit; die Spannung zwischen unkommerzieller Nutzeraktivität und möglicher bzw. nötiger Kommerzialisierung. In der sich anschließenden Diskussion wurde recht schnell deutlich, dass das Ministerium erkannt hat, dass die Veränderungen im Online-Bereich Auswirkungen auf a) die Bezugs- oder Zielgruppen der eigenen Tätigkeit und b) das eigene Handeln als Ministerium selbst haben; noch unklar ist aber, wohin die Reise geht. Einige Abteilungen oder Teilorganisationen sind schon im neuen Netz angekommen; so veröffentlicht die Landeszentrale für politische Bildung bspw. ihre Video-Podcasts auch auf den einschlägigen Plattformen wie YouTube oder Sevenload. Dementsprechend konkret waren dann auch die Fragen der Leiterin Frau Springenberg-Eich und ihrer Mitarbeiterin – ihnen ging es vor allem darum, wie die Aufmerksamkeit für ihre Videocasts im Netz noch gesteigert werden könnte. Ich geh mal mit gutem Beispiel voran und binde eines der Videos ein.. :)
Link: sevenload.com
Sehr spannend fand ich auch ein Thema, das sich mehr oder weniger explizit durch den ganzen Tag zog: Verändert sich auch die Rolle des Staates im Zuge der Veränderungen im Internet? Soll sie sich ändern? Zugespitzt trafen in der Diskussion zwei Haltungen aufeinander – das durchaus spürbare Kontrollbedürfnis auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Bereitschaft, auf Kontrolle zu verzichten und die Freiheit der Bürger/innen auch im neuen Netz zu gewähren. Diese Spannung ist meines Erachtens eine der Kernfragen, wenn es um die gesellschaftlichen Folgen des Web 2.0 geht; sie ließ sich im Workshop bis auf die Frage hinunterbrechen, ob nun Kommunikationsarbeit des Ministeriums im neuen Netz auf die Vermittlung von Inhalten oder auf das Zuhören, Beobachten, ins Gespräch kommen angelegt sein sollte. Spannende Themen!