Aufsatz zum twoday-Blognetzwerk

So, rechtzeitig vor Weihnachten ist das (meiner Zählung nach) letzte Autorenexemplar für dieses Jahr eingetroffen: Der Sammelband „Social Software. Formen der Kooperation in computerbasierten Netzwerken„, herausgegeben von Christian Stegbauer und Michael Jäckel. Darin sind einige Beiträge enthalten, die im Rahmen der Sektionssitzung „Medien- und Kommunikationssoziologie“ beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Herbst 2006 gehalten wurden, aber auch eine Reihe von zusätzlichen Aufsätzen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der computervermittelten Kommunikation auseinandersetzen ((Ich frage mich, warum nicht zumindest das Inhaltsverzeichnis auf der Verlagsseite zur Verfügung steht…)). Von mir ist folgender Beitrag abgedruckt:

Schmidt, Jan (2008): Zu Form und Bestimmungsfaktoren weblogbasierter Netzwerke. Das Beispiel twoday.net. In: In: Stegbauer, Christian / Jäckel, Michael (Hrsg.): Social Software. Formen der Kooperation in computerbasierten Netzwerken. Wiesbaden: VS Verlag. S. 71-93. [preprint]

Ein paar Anmerkungen zum Text: Meines Wissens nach handelt es sich dabei um die erste Analyse überhaupt, die für Weblogs netzwerkanalytische Maßzahlen mit Befragungsdaten kombiniert. Im Frühjahr letzten Jahres bekam ich von Knallgrau ((Dank insbesondere an Michael Schuster, Ben Ferrari und Dieter Rappold.)) einen Datensatz mit verschiedenen netzwerkanalytischen Kennziffern für etwa 13.800 zum damaligen Zeitpunkt auf twoday.net aktivierte Blogs, insbesondere die Anzahl der twoday-internen ausgehenden und eingehenden Links. Allein diese Daten waren schon sehr interessant, doch spannend wurde es vor allem dadurch, weil ich über eine anonymisierte ID die Netzwerk-Daten mit Ergebnissen der „Wie ich blogge?!“-Umfrage koppeln konnte ((Genauer gesagt: Ich konnte die Antworten von 341 Personen, die nur ein einziges Weblog und das bei twoday.net führen, mit den Netzwerk-Daten des twoday-Blogs koppeln. Wie gesagt: Dies geschah über eine anonymisierte ID, sodass ich keine Rückschlüsse auf das Blog bzw. die Person selbst ziehen kann.)). Dadurch kann ich Korrelationen zwischen der Zentralität eines Blogs im twoday-Netzwerk und verschiedenen Fragen der Umfrage berechnen – und genau das habe ich für den Aufsatz gemacht.. :) Die wichtigsten Befunde kurz zusammengefasst:

  • Das Netzwerk von twoday.net zeigt deutliche Zentrum-Peripherie-Strukturen; nur zwei Fünftel aller Weblogs sind mit anderen Blogs auf der Plattform verbunden, und innerhalb dieses zentralen Clusters sind ebenfalls wieder nur etwa 40 Prozent sowohl über ein- als auch über ausgehende Links eingebunden. Die Verteilungen von ein- und ausgehenden Links folgt dabei annähernd einem „power law“.
  • Zentralität im twoday-Netzwerk korreliert nicht nur mit dem Alter des Blogs (was nicht verwundert, da ein älteres Blog länger Zeit hatte, um Links zu sammeln bzw. zu setzen), sondern u.a. auch mit dem Nutzungsmotiv „um mich mit anderen über Ideen und Erlebnisse auszutauschen“. Ich habe das im Text „konversationale Nutzung“ genannt, die in hohem Maße auf Kommentaren und Querverweisen zu anderen Texten auf twoday.net beruht; solche Blogs haben eine Vielzahl von ausgehenden Links.
  • Zudem gibt es noch die Zentralitäts-Variante „Prestige“, also die Beliebtheit gemessen an eingehenden Links. Dieser Wert korreliert interessanterweise mit Variablen, die an das tagebuchartige Online-Journal erinnern: Motive wie „um mir Gefühle von der Seele zu schreiben“ oder „um eigene Ideen/Erlebnisse für mich festzuhalten“ oder auch Inhalte wie „Berichte aus dem Privatleben“ und „Gedichte, Liedtexte, Kurzgeschichten“.
  • Und schließlich ein sehr interessanter Befund: Zentralität im twoday-Netzwerk korreliert auch mit dem Geschlecht, aber genau anders herum, als man es von anderen Studien her erwarten würde – die stark verlinkten Angebote werden nämlich tendenziell eher von Frauen als von Männern geführt. In der Blogosphäre als Ganzes werden die zentralen Weblogs (die „A-List“) dagegen tendenziell eher von Männern geführt.

Ich finde gerade den letzten Befund ein sehr interessantes Beispiel für das Zusammenspiel von Verwendungsweisen und daraus resultierenden Netzwerken: Unter Frauen ist der Anteil höher, der über persönliche Erlebnisse und in Form eines Online-Journals bloggt, unter Männern ist dagegen der Anteil höher, der das Blog für Wissens-/ Informationsmanagement (im weiten Sinn) nutzt, also bspw. vor allem kommentierte Links zu anderen Seiten bloggt ((im Moment arbeite ich an einem weiteren Aufsatz, der die WIB-Daten im Hinblick auf Geschlechtsunterschiede analysiert, da werde ich das näher ausführen.)). Letztere Praktik führt tendenziell zu einer höheren Zentralität, nicht zuletzt weil dieser Art des „Filter-Blogging“ von manchen Seiten höhere Relevanz zugeschrieben wird. Es gibt sie bei twoday.net auch, aber sie macht nicht den Kern der Plattform aus ((Wie gesagt, aus methodischen Gründen haben wir nur Links innerhalb der Plattform betrachtet)) – im Zentrum der twoday-Community stehen Weblogs, die schon über längere Zeit aktiv sind, vom Stil her einem konversationalen Online-Journal ähneln, und von Frauen geführt werden.

Mit anderen Mitteln wurde so bestätigt, was Michael Schuster in einem Interview für meine twoday-Fallstudie im Frühjahr 2005 bereits feststellte:

JS: Hast Du das Gefühl, dass sich in der Community [twoday.net] eine gewisse Gemeinsamkeit in der Nutzung herausbildet, die sich auch von anderen Communities oder Verwendungsweisen unterscheidet?

MS: Es unterscheidet sich ganz deutlich von der Nutzung der Leute, die eigene tools wie WordPress einsetzen. Wenn Du Dir solche Blogs anschaust: Die sind meistens themenzentrierte, sowas wie para-journalistische Blogs, die versuchen Dinge abzugreifen und die zu berichten, mehr oder weniger. Solche Weblogs gibt es bei uns kaum, ganz ganz wenig. Bei uns sind eher die Geschichtenerzähler vorhanden (…) das sind Geschichten aus dem eigenen Leben, die halt mehr oder weniger spannend erzählt werden.

5 Kommentare


  1. Hallo Jan, vielen Dank für das Bereitstellen deines Artikels. Was ich mich beim Durchlesen gefragt habt, ist, wie du die praxistheoretische Vorgehensweise genau verwendet hast. Vielleicht liegt meine Verstehensschwierigkeit darin, dass ich mich mit dem Thema „Webloganalysen“ nicht so gut auskenne und daher nicht erkannt habe, wie du praxistheoretische Ansätze mit deinen Analysen verknüpft hast?

  2. Author

    @Daniel: Schwer in zwei Sätzen zu beschreiben – das sollten wir mal bei Kaffee oder Bier besprechen.. :)

  3. Auf das Angebot komme ich zurück! :-)

  4. Ah, super, Congratualationes!!

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