Der Popkulturjunkie und seine Faszination für Daten: Heute hat Jens Schröder eine neue Charts-Variante vorgestellt, deren Grundlage die Verweise von Twitternutzern auf (deutschsprachige) journalistisch-publizistische Angebote einerseits und Blogs bzw. Blogportale andererseits sind ((Genauer (und etwas komplizierter) gesagt: Unter Zuhilfenahme des Dienstes backtype.com wertet er aus, wieviele „unique user“ von Twitter (also einzelne Twitter-Accounts) pro Woche auf bestimmte Webseiten verweisen. Derzeit beobachtet er vor allem redaktionell-publizistische Angebote, also v.a. die Online-Ableger von etablierten Medien einerseits, und Blogs sowie Blogportale (wie die Blogs von zeit.de oder faz.net) andererseits. Um kurzfristige Verzerrungen auszugleichen, geht der Durchschnittswert über mehrere Wochen, diesmal vom 2.5. bis 22.8.2010, in das Ranking ein.)).
Ich bin ihm für diese, man kann es nicht anders sagen: Fleißarbeit extrem dankbar. Seit einiger Zeit schon verwende ich in Präsentationen und Aufsätzen gerne Daten, die die Verlinkungen von Blogs auf etablierte Medien dokumentieren – eine entsprechende Abbildung und etwas Text dazu findet sich z.B. hier in meinem alten Blog. Mir dienen diese Befunde als Argument, dass Blogosphäre und etablierte „Mainstream-Medien“ (MSM) miteinander verflochten sind; sie zeigen, dass die Aufmerksamkeit für journalistisch-publizistische Themen in der Blogosphäre recht groß ist. Dummerweise sind sie aber auch schon etwas älter, und ich habe in Vorträgen immer darauf hingewiesen, dass Twitter noch nicht berücksichtigt ist, aber vermutlich ähnliche Strukturen aufweist.
Die neuen Daten von Jens weisen nun auf den ersten Blick tatsächlich in die gleiche Richtung: Eine ganze Reihe von MSM-Angeboten werden von Twitter-Nutzern stärker verlinkt als die populären Blogs. Auch hier scheint es also eine Kopplung von Aufmerksamkeit zu geben, bei der Twitter als Resonanzraum bzw. Verstärker für massenmedial gesetzte Themen geht, die an das eigene erweiterte soziale Netzwerk empfohlen und kommentiert werden.
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Ausgehend von dieser Beobachtung sind eine Reihe von Anschlussfragen denkbar und auch wissenschaftlich interessant.
- Neben möglichen Veränderungen im zeitlichen Verlauf fände ich es zur Kontextualisierung sehr spannend, wenn Jens zukünftig auch noch andere Referenzangebote mit aufnimmt, z.B. die Wikipedia, YouTube, Amazon o.ä. Zumindest bei den alten Blogchartsdaten hat die Wikipedia die MSM-Angebote weit hinter sich gelassen; es wäre interessant zu sehen, ob das für Twitter auch gilt.
- Dann stellt sich die Frage des Kontexts eines Twitter-Links. In einer Inhaltsanalyse der Verlinkungen von Blogs auf MSM ließ sich nachweisen, dass der ganze überwiegende Teil (80%) der Verweise ohne Wertung erfolgt und nur ein sehr kleiner Teil (<10%) in einen negativ-kritischen Kontext eingebunden ist. Die Vermutung, Blogs würden auf MSM nur verweisen, um sie zu kritisieren, stimmt also nicht. Aber ob das Twitter auch gilt, wäre zu überprüfen.
- Schließlich wäre es interessant, die Daten auch nochmal mit dem „Rivva-Leitmedien-Index“ abzugleichen, den ich mit einer studentischen Mitarbeiterin vor einiger Zeit auch schon mal etwas näher untersucht habe.
Und vermutlich gibt es noch mehr spannende Fragen im Umfeld von Twitter und der „nutzerbetriebenen Selektion und Distribution von Nachrichten“, oder?
Krass, wenn man der Statiskit nach geht, sollte sich jeder SEO um die Inhalte statt um Linkaufbau kümmern. Denn die Anzahl der Backlinks, die hier durch den USER generiert wird.. ist ja fast unbezahlbar.